Kennen Sie auch solch einen Hund, der dies immerzu und jederzeit der ganzen Welt kund tut? Ich denke, jeder von uns kennt gleich mehrere von ihnen.

Um es gleich am Anfang noch einmal zu bestätigen: je nach Typ, Charakter und Rasse ist das Revier- bzw. Territorialverhalten unserer Hunde sehr unterschiedlich. Wenn wir also ein ausgeprägtes Wachverhalten bis hin zu eventueller Aggression nicht dulden möchten, dann können wir dies sehr wohl bereits bei der Auswahl des Hundes stark beeinflussen. Wie kommt es aber, dass uns überall Vierbeiner begegnen, die meinen, dass ihnen die halbe Welt gehört?

Die Sache mit dem Revier beginnt für unsere Hunde bereits im Welpenalter. Ganz sicher hat jeder Welpenbesitzer es bereits erlebt: Vor der 16. Lebenswoche müssen wir unsere Hunde zumeist überreden und/oder zwingen, Haus und Hof zu Fuß zu verlassen. Ist der Spaziergang jedoch beendet und der Welpe bemerkt, dass wir nach Hause gehen, dann zieht er an der Leine, weil es ihm nicht schnell genug geht. Der Grund liegt in einer (diesmal im wahrsten Sinne des Wortes) „angewölften“ Verhaltensweise. Wolfs- und Wildhundewelpen dürfen den heimischen Rendezvous-Platz nicht verlassen, denn dort werden sie ständig beaufsichtigt und dort sind sie sicher vor Feinden. Es ist also eine Art „Urangst“, die unsere Hunde lieber in der Nähe ihrer „Höhle“ bleiben lässt. Jeder Hund bekommt so vermittelt, wie wichtig bestimmte Orte – in diesem Fall sichere Orte – sind.

Das ändert sich jedoch nach der 16. Lebenswoche. Aus dem Welpen wird ein Junghund, und der wird zunehmend abenteuerlustig. Ist es ein pubertierender Rüde, entdeckt er zudem, dass gleich hinter der Haustür nette Hündinnen und lästige Konkurrenten warten. Er versucht also in die Freiheit zu gelangen und seinen Spaziergang alleine zu machen, wann immer es ihm möglich ist. Nun haben wir das Gegenteil dessen, was uns vorher einige Wochen so nervte.

Aus unserer Sicht entwickelt sich unser Hund zu einem Streuner und Dauer-Markierer, aus seiner Sicht gibt es ab nun eine Menge Arbeit für ihn. Jeden Tag muss er aufs Neue sein Revier markieren, und das meistens sogar mehrfach. Denn jedes Mal, wenn er einen halben Tag fort war, haben irgendwelche Frechdachse über seine Markierung markiert – ganz so als gehörte ihnen SEIN Revier: sein Haus, seine Straße, sein Park! Und irgendwann kommt es dann zu einem ersten Duell.

Da steht er: der Eindringling, der Dieb, der Provokateur! Dem wird er es zeigen. Bell. Grummel. Fletsch. Knurr. So sieht es unser Hund. Wir bemerken nun, dass unser vierbeiniger Hausgenosse einen Hund aggressiv angeht, der ihm nichts getan hat – denken wir. In Wirklichkeit hat er ihm das Schlimmste angetan, das ein Hund einem anderen antun kann: Er klaut ihm jeden Tag sein Revier, indem er alles Mögliche markiert. Und der andere Hund? Sieht das natürlich genauso. Leider sind diese beiden nicht die einzigen, denn außer ihnen gibt es ja noch einige (manchmal sogar sehr viele) Hunde, die sich eine Straße oder einen Park teilen.

Wir Menschen aber sind hilflos. Was tun? Wir müssen doch jeden Tag unserem Hund Auslauf ermöglichen. Mit oder ohne Leine – der Hund muss „Zeitung lesen“, sich lösen. Wir wollen keinen Haufen und keine gelben Urinflecken auf unserem Rasen. Also muss trainiert werden. Jeder muss jeden in seinem Revier dulden, und wenn er nicht will, so muss er es trotzdem. Gegen die Natur haben wir jedoch wenig Chancen. Irgendwann lassen wir das Training und das Schimpfen, wir gehen nur noch mit Leine und biegen in eine andere Straße ein, sobald wir von Ferne einen Hund kommen sehen. Das ist die leider nicht seltene Sackgasse, in die viele Hundehalter und ihre Hunde hineinspazieren und nicht wieder herausfinden.

Dabei ist die Lösung gar nicht so kompliziert, man muss sie nur wollen.

Hunde leben aus ihrer Sicht heraus in einem Kernrevier und einem Außenrevier. Beide gehören ihnen. Die Welt außerhalb des Außenreviers gehört nicht ihnen, sie ist ihnen vom territorialen Standpunkt aus gesehen nicht halb so wichtig wie das Kern- und Außenrevier. Eine grobe Regel besagt, dass ein Hund das als Kernrevier ansieht, in dem er sich ca. 70 bis 80 % des Tages aufhält, also meistens das Haus und der eigene Garten. Im Außenrevier hält er sich 20 bis 30 Prozent des Tages regelmäßig auf . Dies ist entweder der eigene Garten und die Straßen rund ums Haus oder ein anderes Gebiet. Häufig sind es auch Hundeauslaufplätze, Parks oder Waldstücke.

Möchten wir also nicht, dass unser Hund mit einer Revierverteidigung anderen Hunden, Menschen, Fahrrädern oder Autos gegenüber beginnt, sollten wir das Kernrevier so klein wie möglich halten. Das Kernrevier unserer eigenen Hunde würde ich als unser Haus definieren, das Außenrevier dürfte unser Garten sein. In diesem lassen wir unsere Hunde nicht unkontrolliert stundenlang laufen und Spaziergänger verbellen, denn auch dort sind sie meistens nur, wenn wir auch dort sind. Ein weiteres Außenrevier haben sie nicht, weil wir unsere Spaziergänge und das Training an ständig wechselnden Orten machen.

So kommt erst gar kein Revierverhalten auf. Wir ersparen unseren Hunden damit unglaublich viel Stress und schenken ihnen viele Hundefreunde in der Nachbarschaft statt Hundefeinde. Ach so: Und ihre Toilette haben unsere Hunde hinten im Garten. Dort erledigen sie den größten Teil ihrer „Geschäfte“.

Ist das nicht eine einfache Lösung? Sie kostet kaum Zeit, aber ein wenig Management und Nachdenken, wann und wie und wo sonst noch man mit dem Hund anderweitig laufen kann. Natürlich gibt es Hunde, für die diese Managementmaßnahmen nicht ausreichen. Das erwähnte ich oben schon. Aber selbst bei sehr territorialen Vierbeinern verbessern sie ein bereits bestehendes Problem und unterstützen ein weitergehendes Training.

Viele angenehme Spaziergänge und Aufenthalte in freier Natur in diesen schönen Sommerwochen

wünscht Ihnen

Ihre Martina Nau