Vor einigen Wochen erreichte mich die Frage: Was eigentlich sind Pariahunde? Das ist eine gute Frage, und ich bemühe mich jetzt, darauf eine gute Antwort zu geben, denn ich bin mir sicher, dass schon viele Menschen diesen Ausdruck gehört oder gelesen haben.

Zunächst einmal ist das Wort "Pariahunde" ein Überbegriff für einen sehr ursprünglichen Hundetyp, der weltweit zu finden ist. Sie sind eine Übergangsform von reinen Wildhunden zu unseren gezüchteten Rassen. Auch wenn sie sich häufig optisch sehr ähneln, so kann man diese Hundegruppe nicht als Rasse bezeichnen kann. Vielmehr ist die Ähnlichkeit darauf zurückzuführen, dass ihr Aussehen ihnen Vorteile in der Natur und gleichzeitig eine gewisse Akzeptanz bei Menschen bringt. Sie sind die Nachkommen der Hunde, aus denen unsere Hunderassen gezüchtet wurden.

Denn ursprünglich waren Pariahunde "Ausgestoßene", also Hunde, mit denen vor vielen Jahrhunderten Menschen nichts zu tun haben wollten, vor allem in Gebieten mit muslimischem Glauben. Dort hielt man sich Hunde für die Jagd, doch nahezu alle anderen umherstreifenden Hunde waren herrenlos und ausgesprochen unerwünscht. So entwickelten sich durch freie Verpaarung regionale Varianten, die ihnen je nach Klima, Landschaft, aber auch Vorlieben ihrer menschlichen Nachbarn ein angepasstes Leben ermöglichten. Zusätzlich verwilderten auch damals schon von den Menschen auf ihre Bedürfnisse gezüchtete Hunde wie Jagdhunde oder Hirtenhunde und verpaarten sich mit den wild lebenden Hunden. Es entstanden Pariahunde, die Windhunden, spitzartigen Wachhunden oder Hirtenhunden wiederum ähnlich sahen. Sie lebten einzeln oder in Gruppen, jedoch ohne engen Bezug zu bestimmten Menschen, sondern am Rande der menschlichen Zivilisation.

In der Folge waren und sind fast alle Pariahunde hellbraun oder sandfarben, mittelgroß und kurzhaarig. Sie haben Stehohren und eine geringelte Rute. In warmen Regionen ähneln sie eher einem Windhund, in kälteren Regionen sind sie oft ein wenig stämmiger im Körperbau und das Fell ist etwas länger. Ihre Lautäußerungen kann man - falls sie überhaupt Laute abgeben - nicht als Bellen bezeichnen, sondern sind kurz und rauh.

Aus ihren regionalen Schlägen sind seit vielen Jahrhunderten Rassen und Hundetypen mit rasseähnlichen Gemeinsamkeiten entstanden. Beispiele für Rassen, die man noch immer der Gruppe der Pariahunde zuordnet, sind der Korea Jindo Dog in Asien, der Dingo in Australien, der Basenji in Afrika, der Xoloitzcuintle in Südamerika und der Kanaanhund aus dem vorderen Orient bzw. Palästina.

Wenn man all dies weiß, dann ist es nicht verwunderlich, dass Pariahunde sehr selbstständige Hunde sind. Sie gehen eher selten eine enge Bindung zu Menschen ein, sind sehr jagdtriebig, schlau, anpassungsfähig und meistens von Geburt an scheu. Viele Europäer verwechseln ihre Scheu mit Angst, aber dieser Ausdruck wird der Ursache für ihr Verhalten nicht gerecht. Es ist keine Wesensschwäche, sondern ein angeborenes Misstrauen und für sie die einzig funktionierende Überlebensstrategie, geerbt und tradiert seit sehr vielen, wahrscheinlich hunderten Generationen. Den gleichen Zweck erfüllt ein meistens recht starkes Territorialverhalten und ihre Neigung, Ressourcen zu verteidigen. Denn Territorium, Scheues

Verhalten und Ressourcen garantieren Überleben! Sie brauchen niemanden, schon gar keinen Menschen, denn sie können sich sehr gut selbst durchs Leben bringen.

Tja, und wie wäre es, wenn ich Ihnen jetzt verrate, dass auch aus südlichen und östlichen Ländern Hunde zu uns kommen, also adoptiert werden, die Pariahunde sind? Würden Sie es mir glauben? Bitte, tun Sie es. Ich sehe hier mehrmals im Jahr Hunde aus dem Tierschutz, die - könnten sie reden, dann würden sie es uns sagen - sehr erstaunt sind, nicht mehr ihr freies Leben in freier Natur leben zu dürfen, sondern sich in unserer sauber sortierten Zivilisation wieder zu finden.

Hier beginnt ein neuer Kampf für einen Pariahund, nämlich verstanden und damit bis zu einem vernünftigen Grad respektiert zu werden von den neuen Lebenspartnern, die sich solch ein Hund selbst nie ausgesucht hätte. Es stoßen dann Kulturen aufeinander, denn genauso erstaunt sind die neuen menschlichen Mitbewohner, die sich einen kuscheligen Vierbeiner wünschten und einen autarken Hund bekommen, der sie weder braucht noch haben möchte ... es sei denn, er erfüllt alle Anforderungen, die ein Pariahund ans Überleben stellt. Wie die aussehen, steht ja bereits weiter oben.

Ist so ein Kulturenzusammenprall geschehen, liegt es an uns, dafür zu sorgen, dass die frisch benannten Paul oder Ronja oder Emma mit Geduld und Verständnis und Zeit lernen, dass auch als ehemaliger Freigeist ein Leben an unserer Seite stressfrei und schön sein kann. Leider geht das zwangsläufig mit der Erkenntnis des Menschen einher, dass sich in den nächsten Jahren das Leben mit einem Hund anders gestaltet als es vorher geplant war. Wer sich aber darauf einlässt, der wird meistens belohnt mit einem wirklich außergewöhnlichen, nahezu menschlichen und spannenden Charaktertyp an seiner Seite.

Herzliche Grüße

Ihre Martina Nau

und das ganze Baak-Dogwalker-Team