Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was Ihr Hund fühlt, wenn er einen anderen Hund von Ihnen fort treibt oder wenn er einen großen Baumstamm mit hoch erhobenem Kopf durch den Wald trägt? Was weiß man überhaupt über die Emotionen unserer Hunde und was ist wissenschaftlich erwiesen?

Hier kommen wir zum Kern des Problems. Viele Gefühle unterstellen wir unseren Hunden einfach deshalb, weil wir in dieser speziellen Situation auch so fühlen würden. Ob Hunde aber überhaupt in der Lage sind, bestimmte Gefühle zu haben, kann man erst mit Sicherheit sagen, wenn diese wissenschaftlich erwiesen sind. Das ist bei vielen Gefühlen noch nicht der Fall, bei einigen aber schon.

Generell teilt man Emotionen ein in primäre Gefühle wie Überraschung, Angst oder Wut und in sekundäre wie Eifersucht, Liebe, Besorgnis, Schuld, Verlegenheit oder Stolz. Früher nahm man an, dass Hunde nur zu primären Geführen, nicht jedoch zu sekundären in der Lage sind.

Inzwischen sind Experten der Meinung, dass des Menschen bester Freund sehr wohl auch sekundäre Gefühle kennt. So hat zum Beispiel eine Untersuchung der Universität Portsmouth ergeben, dass Hunde eifersüchtig sind. Wissenschaftler der Universität Wien haben bewiesen, dass sie neidisch sein können.

In der Verhaltensforschung geht man davon aus, dass auch bei ganz normalen Lernvorgängen Emotionen eine große Rolle spielen. Es ist also nicht egal, ob ein Hund mit Freude ins Gehorsamkeitstraining geht oder mit Unlust. Viele denken jetzt, dass das keine neue Erkenntnis ist, aber es steckt viel mehr hinter diesem Gedanken. Wenn ein Hund eine Handlung während des Lernvorgangs mit einem bestimmten Gefühl verbindet, löst in vielen Fällen später die Handlung bereits das Gefühl aus. Oder das Gefühl löst die Handlung aus.

Ein klassischer Fall ist das Rückruftraining. Wer Lust hat, kann an seinem eigenen Hund folgenden Versuch starten: Konditionieren Sie Wort A, indem Sie ihn immer mit A zurückrufen und dieses Wort auch sagen, während (!) Ihr Hund langsam und widerwillig zurückkommt. Parallel dazu konditionieren Sie Wort B, indem Sie B immer sagen, während (!) er schnell und freudig zurückkommt. Wenn Sie beides sehr sorgfältig konditionieren, kommt er demnächst auf A langsam und unlustig, auf B schnell und freudig zurück. Sie glauben es nicht? Versuchen Sie es.

Tatsache ist jedenfalls, ob wissenschaftlich erwiesen oder nicht: Jeder von uns hat den Eindruck, dass sein Hund zum Beispiel Eifersucht, Stolz, Frustration oder Überraschung empfinden kann. Würden wir uns jedoch nur nach wissenschaftlichen Erkenntnissen richten und nicht angemessen auf diese für uns offensichtlichen Gefühle reagieren, würde das verloren gehen, was ein familiäres Zusammenleben ausmacht: Rücksichtnahme und Verständnis. Denn dass es etwas nicht gibt, nur weil die Forschung es noch nicht bewiesen hat, diese Meinung hat sich schon oft als Irrtum erwiesen.

Die bisherigen Forschungsergebnisse sollten uns alle zum Weiterdenken anregen. Denn wenn unsere Hunde (und damit sicherlich auch andere Tiere) zu derart komplexen menschlichen Gefühlen in der Lage sind, dann sollte man über Massentierhaltung, Tierversuche und Tierschutz durchaus intensiver nachdenken. Und ganz sicher sollten wir bei uns zu Hause anfangen, unsere vierbeinigen Mitbewohner vielleicht ein wenig anders zu bewerten als wir es ohne dieses Wissen vielleicht bisher getan haben.

Herzliche Grüße

Ihre Martina Nau