Hauptberuf: Nur-Familienhund

Viele Hunde haben einen Beruf. Sie arbeiten als Jagd-, Rettungs-, Blinden-, Service- oder Wachhunde. Und Ihr Hund? Selbst wenn Sie jetzt sagen: Er hat keinen Beruf – dann stimmt das höchstwahrscheinlich nicht.

Denn wo früher drinnen und draußen gemütlich herumlungernde Hunde lebten, die irgendwie zum Haushalt gehörten, finden wir heute größtenteils Hunde, deren Leben man schon als „Dauerjob“ bezeichnen kann. Ihre Berufsbezeichnung: Nur-Familienhund.

Es ist ein schwieriger Beruf, den sie ausüben, denn eigentlich haben sich ihre Familien nur aus einem einzigen Grund für einen Hund entschieden: weil sie einen netten Familienhund haben möchten. Er soll mit den Kindern spielen, freundlich jeden Besucher begrüßen, natürlich auch bellen, wenn nachts jemand ums Haus schleicht. Er soll nicht an der Leine ziehen, wenn es erwünscht ist, frei laufen und zurückkommen, nichts kaputtmachen und nicht zu viel bellen. Er soll alle anderen Hunde mögen und lustig mit ihnen spielen. Das sind meistens die Grundanforderungen, die an einen Nur-Familienhund gestellt werden und je nach Lebensumfeld kommen andere Anforderungen hinzu.

Wenn mir also jemand sagt: „Unser Hund ist nur ein Familienhund“ – dann denke ich oft, dass derjenige die Leistung seines Hundes wahrscheinlich stark unterschätzt. Gleichzeitig schwingt in diesem Satz aber auch mit, dass dieser Hund keine wirkliche Aufgabe hat, in den Augen vieler Leute also auch keinen wirklichen „Nutzen“. Das sehe ich anders. Nahezu jeder einzelne Nur-Familienhund bringt mehr Glück, Ruhe und Positivität in das Leben seiner Familie als irgendetwas anderes dies bringen könnte.

Leider gibt es aber auch immer wieder Hunde, die den hohen Anforderungen, die an sie gestellt werden, nicht gewachsen sind. Sehr häufig wären sie eigentlich lieber keine Nur-Familienhunde, sondern hätten gerne zusätzlich noch einen anderen Beruf. Diesen jedoch können oder wollen ihre menschlichen Familienmitglieder ihnen nicht gewähren. Und so geschieht es oft, dass ein Jagdhund plötzlich alleine jagt. Oder das Mitglied einer Wachhundrasse beschließt, den Job einfach selbstständig zu machen, auch wenn es nicht erwünscht ist. Wieder andere Hunde sind schlecht oder gar nicht ausgebildet für ihren Beruf „Nur-Familienhund“. Sie sollen ihre Familie in die Stadt begleiten, haben aber gar nicht gelernt, ruhig an der Leine zu gehen. Oder sie sollen die Kinder auf dem Sonntagspaziergang bespaßen, springen aber andere Spaziergänger an und kommen nicht zurück, wenn man sie ruft. Schuld daran sind nicht die Hunde, sondern ihre Erziehungsberechtigten.

Was also können wir machen, um unseren Hunden ihren oft nicht einfachen Job als „Nur-Familienhund“ zu erleichtern?

  • Auf jeden Fall hilft allen, Menschen und Hunden, eine gute Grunderziehung. Bringen Sie Ihrem vierbeinigen Familienmitglied Vokabeln wie „Sitz“, „Nein“, „Fuß“ oder „Komm“ bei, und zwar so, dass er sie auch versteht.

  • Schenken Sie ihm eine gute soziale Erziehung, integrieren Sie ihn in die Familie, gewähren Sie ihm Kontakt zu anderen Hunden und zur Außenwelt und zeigen Sie ihm, wie man sich anderen Lebewesen gegenüber benimmt.

  • Falls Ihr Hund durch seine Rasse oder Typ andere starke Neigungen wie Jagen, Hüten oder Wachen hat, können Sie das nicht ignorieren. Sorgen Sie für eine Auslastung seiner Triebe statt sich ständig über sie zu ärgern oder sie generell zu verbieten. Nur so kann Ihr Hund seinen Job als Familienhund auch ausüben.

  • Setzen Sie Grenzen! Manche Verhaltensweisen darf man nicht ignorieren. Sie dürfen auch Ihrem Hund ehrlich und verständlich sagen, wenn Ihnen etwas nicht gefällt.

  • Manchmal muss man sich auch mit den Macken und Kanten seines Vierbeiners arrangieren. Nicht alles ist „wegtrainierbar“.

  • Und das Wichtigste: Nehmen Sie nur ein vierbeiniges Familienmitglied in Ihre Familie auf, das das Leben mit Ihnen auch meistern kann! Es ist nicht fair, wenn man von Familienmitgliedern Dinge erwartet, die sie nicht leisten können. Also auch hier gilt wie immer: Jeder Hund kann ein toller Familienhund sein, aber viele sind nicht für den Beruf „Nur-Familienhund“ geschaffen. Möchten Sie einen Hund, der den Hauptberuf „Nur-Familienhund“ perfekt ausübt, sollten Sie den Hund genauso sorgsam auswählen und erziehen wie jemand, dessen Hund ein Hütehund oder Rettungshund werden soll.

Und noch ein kurzer Gedanke. Bitte verschenken Sie keine Hunde, auch nicht als „Nur-Familienhunde“. Denken Sie daran, dass jeder Hund ein lebendes, fühlendes Wesen ist mit sehr ähnlichen Bedürfnissen, wie wir Menschen sie haben. Es will gut überlegt sein, welchen Hund man in welche Familie aufnimmt und wie das gemeinsame Leben sich in den nächsten (vielen) Jahren gestaltet.

Herzliche Grüße

Ihre Martina Nau