Wie wir alle, so hatte auch ich in den letzten Monaten viel Zeit nachzudenken: über mich, über meinen Beruf (der eigentlich meine Berufung ist), über Hunde und ihre Menschen. Große Weisheiten sind nicht dabei herausgekommen, und doch hat es sich gelohnt, die Gedanken zu ordnen.
Vor ein paar Tagen hatten wir im Freundeskreis das Gespräch darüber, was ich denn wohl so in den letzten 20 Jahren dazu gelernt habe. Es ist tatsächlich unglaublich viel.

Insgesamt hat sich unser Training hier nicht gravierend verändert, es ist nur variantenreicher geworden. Training soll Spaß machen, das ist wichtig, und so gibt es immer wieder auch mal einen kleinen Wettbewerb oder interessante Beschäftigungsideen. Auch fachlich und technisch haben wir uns weiter entwickelt. Der Werkzeugkasten für schwierige Hunde und Probleme ist auf jeden Fall voller geworden. Eine wichtige Hilfe sind mir dabei immer wieder alle Kursteilnehmer, die auf so nette und tolerante Art auch schwierige Hunde aus den Einzeltrainings als Kursgäste aufnehmen und immer alles mitmachen, was mir so einfällt. Vielen Dank auf diesem Wege dafür!


Im Umgang mit Menschen (und vor allem Hundemenschen) wird man auch nicht dummer. Insgesamt habe ich auf diesem Feld gelernt, dass oft eben nicht der Besitzer Schuld daran ist, dass sein Hund Probleme bereitet (so hatte ich es früher einmal gelernt: "Es ist immer der Mensch, der Schuld ist"), sondern die Konstellation Hund-Mensch und ein Haufen unglücklicher Missverständnisse zwischen beiden. Und - auch auf die Gefahr, dass mich jetzt einige Leser steinigen - manchmal ist es sogar nur der Hund, der Schuld ist. Jawohl, es gibt Fälle, da ist das einzige Problem der Hund. Und der Mensch ist ein armer Mensch, weil er sich Vorwürfe macht, alles falsch zu machen.


Wirklich sehr viele Menschen sehen bei vernünftiger Argumentation ein, dass sich der Hund nur ändern kann, wenn sie sich ändern. Dagegen ärgert es mich immer noch wie am ersten Tag, dass es leider auch Hundebesitzer gibt, die uneinsichtig und egoistisch sind und erwarten, dass (wie offensichtlich in ihrem Leben alle Menschen) nun auch der Hund sich komplett nach ihnen richten muss. Dies führt sehr oft zur Abgabe des Hundes, weil die Geduld nicht ausreicht, besagten Hund in erwünschte Lage zu bringen. Es ist bei einem zunehmenden Prozentsatz unter uns Hundebesitzern schwierig, mit Frust und unerwarteten Anstrengungen umzugehen. Irgendwie haben wir uns alle daran gewöhnt, die Fernbedienung zu nehmen und umzuschalten, wenn uns ein Programm nicht gefällt. Hunde haben keine Fernbedienung.


Aber viele Menschen wachsen auch daran, dass sie Probleme mit dem Hund lösen müssen, und ich habe schon oft gehört, dass diese Erfahrung ihnen sehr geholfen hat, einige Dinge in ihrem Leben anders zu sehen. Leider geben diejenigen am ehesten auf, die leicht zu lösende Luxusprobleme haben. Diejenigen, die wirklich einen schwierigen Hund haben, bleiben meist dran. Woran das liegt, habe ich mich schon oft gefragt. Diese Menschen haben meine uneingeschränkte Sympathie und können mich auch nachts aus dem Bett schellen, wenn etwas schief läuft.


Sicherlich bin ich aus einigen unschönen Erfahrungen mit nicht so lieben Mitmenschen nicht mehr ganz so "politisch korrekt" wie anfangs, sondern sag einige Dinge auch schon mal direkt und geradeaus. Das ist nie böse gemeint. Ich erhoffe mir dadurch, den einen oder anderen Langschläfer damit wach rütteln zu können. Dies gilt vor allem Besitzern aggressiver oder vorhersehbar aggressiv werdender Hunde. Meistens klappt das auch, zu meinem Bedauern für die Hunde leider nicht immer.


Was hat sich verändert in den letzten 20 Jahren in der Hundebesitzergemeinde? Ich finde, dass sich deutlich mehr Hundebesitzer als früher dessen bewusst sind, dass sie eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft haben. Viele haben den x-ten Hund und besuchen zum ersten Mal eine Hundeschule. Interessant ist auch, dass vor allem die Hundebesitzer, die hier mit einem schwierigen Welpen starten, sehr häufig nach einigen Monaten einen deutlich gehorsameren und sozialeren Hund haben als diejenigen, die sich einen " Familienhund einer einfachen Rasse" ins Haus geholt haben. Sie können mir glauben, dass mir diese Entwicklung schon häufig ein Schmunzeln entlockt hat. Und die Erkenntnis: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Die Rasse oder der Mix sind nicht so wichtig, wenn man Erziehungsarbeit nicht scheut und beides einschaltet: Herz und Verstand.


Vielleicht noch einige Sätze zum Schluss als Antwort auf die Frage, die ich derzeit am häufigsten beantworte: Gibt es Corona-Hunde?


Ja, es gibt sie: Hunde, die ohne den Lock-down nie (oder erst in einigen Jahren) angeschafft worden wären. Die Gründe für die Familienerweiterung sind vielfältig und für jeden Hundeliebhaber nachzuvollziehen: mehr Freizeit, Sehnsucht nach Zuneigung und Gesellschaft, eine andere Lebens- und Alltagsgestaltung, manchmal auch Bespaßung der Kinder. Ich glaube, wir sind auf dem Weg, eines der hundefreundlichsten Länder Europas zu werden, wenn dieser Trend anhält. Und auch dieses Mal menschelt es in der Hundebesitzergemeinde: die einen können sich nach wenigen Wochen ein Leben ohne Wald, Hund und Fahrrad gar nicht mehr vorstellen. Andere arbeiten gerade hart daran, aus dem frisch eingezogenen Freund vom Züchter oder aus dem Tierschutz ein nettes Familienmitglied zu machen. Und wieder andere haben den Hund schon längst wieder abgegeben. Gründe hierfür gibt es viele, Ursachen nur eine: die falsche Entscheidung getroffen.


Tja, solche Dinge sind mir in den letzten Wochen durch den Kopf gegangen.

Zusammenfassen kann man es eigentlich mit einem einzigen Satz: Wir alle sollten uns bemühen, die Dinge zu ändern, die wir ändern können, das so zu lassen, was man ohnehin nicht ändern kann und das eine vom anderen zu unterscheiden.


Herzliche Grüße und bleiben Sie alle gut gelaunt und gesund, mit und ohne Hund

Ihre Martina Nau
und das Baak-Dogwalker-Team